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Wiege Sanremo – italienische Popmusik

Sanremo liegt im Nordwesten Italiens, an der ligurischen Blumenriviera. Der Name sagt es eigentlich schon: es ist ein wunderschöner Flecken Erde. Ein edler Flecken. Hinter der nahen Grenze zu Frankreich setzt sich der Küstenstreifen als Côte d’Azur fort, Monaco ist nicht weit, was immer sich der anspruchsvolle Urlauber an Genuss, Golf- und Segelvergnügen wünscht, er bekommt es hier. Aber auch nach Italien hinein haben das Hinterland mit seinen aufsteigenden Alpen und der nahe Golf von Genua eine Menge zu bieten.

Trotzdem sticht dieses eine Städtchen heraus. Sanremo ist bereits seit über zwei Jahrhunderten ein bekannter Erholungsort. Das Klima gilt als besonders mild, ein Attribut, das man früher einmal sehr an Badeorten schätzte. La Pigna heißt die Altstadt, eine orientalisch anmutende, dichte, verwinkelte Bebauung mit vielen Gässchen und diesem speziellen mediterranen Flair, das man am besten selbst atmet.

Sanremo ist ein großes Tourismuszentrum, mit einem berühmten, 1905 gebauten Kasino, einem Hafen, Hotels und einem umfangreichen Sport- und Freizeitangebot. Zweimal im Jahr ist die Stadt das Zentrum Italiens. Zum einem bildet der ehemalige Fischerort die Zielankunft des Radsportklassikers Mailand-Sanremo, offiziell einem von fünf Monumenten des Radsports, und dann findet hier noch das Sanremo-Festival statt.

Italien hat eine große musikalische Geschichte. In Paris ist im 18. Jahrhundert der berühmte Buffonistenstreit ausgebrochen, als dort einige zeitgenössische Denker anmerkten, dass sie die italienische Oper eigentlich ganz prima fänden, was zunächst wütende patriotische Reaktionen und dann das Bemühen zum Resultat hatte, dass man in Frankreich versuchte, italienisch zu komponieren.

Sanremo

Sanremo ©iStockphoto/Dmitry Kovtun

In Italien gab es schon früh komische Musik, was die Kritiker unter den Klassikfreunden mitunter noch heute mit Verachtung strafen. Im 20. Jahrhundert haben italienische Komponisten einen enormen Einfluss auf die Filmmusik und an der Entstehung der Popmusik sind italienische Künstler nicht unwesentlich beteiligt. Immer wieder ist hier Musik neu zusammengesetzt, sind neue Wege beschritten und daraus neue Ideen entwickelt worden. Italopop, Italo-Disco, die italienischen Superstars der 80er Jahre, der Schlager, den Italienurlauber Jahrzehnte zurück über die Alpen getragen haben, sind Kennzeichen einer eigenwilligen Musikkultur.

Das Sanremo-Festival, das sicher zur Gründung des Eurovision Song Contests inspiriert hat, ist für diese Kultur recht wichtig. Es ist wie eine Messe für alle, eine mehrtägige Leistungsschau der Popmusik (und vor allem der Komponisten) mit einem Wettbewerbs- und einem großen Rahmenprogramm. Il Cantautore, der italienische Liedermacher, der nicht selten die Lieder gar nicht selbst schreibt und der und dessen Kollegen in ihrer Gesamtheit am besten durch diesen Begriff zusammenzufassen sind, weil sie sich in so vielen unterschiedlichen Genres bedienen, dieser Cantautore ist durch das Sanremo-Festival geradezu auf die Bühne gestellt worden.

Paolo Conte hat als Komponist wichtige Beiträge für das Sanremo-Festival geschrieben und ist natürlich selbst Liedermacher. Betty Curtis, Adriano Celentano und Eros Ramazzotti gewannen in Sanremo, wobei letzterer 1984 zusätzlich in der neu geschaffenen Nachwuchskategorie den ersten Preis holte. Das TV-Ereignis selbst hat sich einen ganz besonderen, biederen Charme bewahrt, was sicher auch der großen Tradition geschuldet ist. Hier gibt man sich (meistens) sehr seriös, es gibt gute Musikerjahrgänge und einige, die vollkommen verdient weitestgehend vergessen sind, der Gewinn aber hat immer einen extrem hohen Prestigewert.

In einer kurzen Epoche, den 70er Jahren, wurden auch internationale Stars geladen, man sang dasselbe Stück eines Komponisten unterschiedlich arrangiert und orchestriert und ein Sänger, Luigi Tenco, nahm sich nach seinem vorzeitigen Ausscheiden 1967 noch im Hotel in Sanremo das Leben.

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