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Fußball in Italien

Calcio. Das Spiel heißt Calcio. Die italienischen und deutschen Fußballer haben den Anhängern der Gegenseite mindestens einmal jeweils maximalen Schmerz zugefügt. Während die DFB-Elf 1990 den Weltmeisterpokal im Stadio Olimpico von Rom in Empfang nahm, revanchierte sich die Squadra Azzurra 2006 im Berliner Olympiastadion.

Auch sonst lässt sich der deutsche und italienische Fußball ganz gut vergleichen. In beiden Ländern ist Fußball ein Nationalheiligtum, in beiden Ländern gibt es extrem starke Profiligen, in beiden Ländern wird die Schönheit des Fußballs nicht über das Ergebnis gestellt. Ansonsten herrscht Uneinigkeit.

Einige der berühmtesten Spielstätten überhaupt stehen in Italien. Im mehr als 80.000 Menschen fassenden Stadio Giuseppe Meazza in Mailand sind gleich zwei Mannschaften zuhause, die schon die Champions League gewinnen konnten, im Stadio delle Alpi spielt Juventus Turin und das Stadio San Paolo in Neapel war einige Jahre die Heimspielstätte von Diego Armando Maradona. Wie er dahingekommen ist, weiß man bis heute nicht ganz genau, aber dass die Neapolitaner fußballverrückt sind, merkt man beispielsweise daran, dass Maradona (nicht wie ein, sondern) als Heiliger verehrt wird und die Mannschaft auch nach Abstieg in die dritte Liga noch einen Zuschauerschnitt von 50.000 hat.

Calcio in Italien steckt voller Mythen und Skandale, großer Geschichten und ist ein kleines Universum, in das man als Urlauber hineingleiten kann, indem man sich eines der Trikots an den Souvenirständen kauft und überstreift. Dann hat man sich nämlich entschieden, egal wofür, und darf die Konsequenzen tragen. In Trikots schläft es sich nicht nur außergewöhnlich gut, sie sind Statements, Meinungen, die einmal artikuliert im Raum stehen und durchaus zu Diskussionsfreude bei Fußballfreunden anderer Meinung führen können.

Fußball in Italien

Fußball in Italien ©iStockphoto/simon askham

Der Sport und der Wettkampf, sogar der Profisport ist in Italien eine uralte Sache, wesentlich älter als nördlich der Alpen. Zum einen gibt es eine Reihe von speziellen Wettkämpfen, die sich in Stadtstaaten herausgebildet haben und als Vorläufer oder Nährboden des Fußballs gelten können. Der Calcio Storico in Florenz ist sehr bekannt. Eine Stadt, vier Teile, mehrere große, wenig regulierte Schlachten, auf die sich die Teilnehmer hart und lange vorbereiten, so lässt sich der historische Fußball, den es seit der Renaissance gibt, zusammenfassen. Besser macht das der sehr lohnenswerte Film Florence Fight Club von Luigi Perotti aus dem Jahr 2010.

Wie alt der Sport als Vergnügen der Massen in Italien ist, zeigen natürlich auch die einzigartigen Amphitheater und das Motto Panem et circenses, das dem Satiriker Juvenal aus dem ersten und zweiten Jahrhundert nach Christus zugeschrieben wird, der das römische Volk für so degeneriert hielt, dass man ihm für Brot und etwas Zirkus im Grunde alles unterjubeln könne – das ist den Menschen wohl immer untergeschoben worden, sobald sie sich zu amüsieren begannen.

Eine weitere sehr spezielle Sache, die Italien zu einem Ursprungsland für Sport als Massenunterhaltung macht: Pallone. Es handelt sich um ein Ball-, ein sogenanntes Rückschlagspiel, das auf dem Apennin entstand und vor der Zeit des Fußballs lange die populärste Sportart des Stiefels war. Bis kurz vorm ersten Weltkrieg galten die besten Pallone-Spieler als die reichsten bzw. teuersten Sportler der Erde. Im Pallone waren Entwicklungen vorweggenommen, die wir im heutigen Sport kennen, die der stetigen Professionalisierung, der massiv steigenden Gagen und der Idealisierung von Typen, die an ihrem Talent ausgiebig gearbeitet haben. Die großen Spiele wurden im Sferisterio ausgetragen, richtigen Stadien, von denen es heute sogar noch welche gibt. In Macerata in den Marken beispielsweise, dort werden aber inzwischen eher Opern aufgeführt.

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