Essen in Italien
Wer einmal in ein italienisches Restaurant gegangen ist, der hat festgestellt, dass das Mahl in Italien etwas anderes ist als in Deutschland, auch als das in der Pizzeria in Deutschland – wenn der Restaurantchef nicht besonderen Wert darauf legt, dass er „richtige“ italienische Küche vermittelt. Dann heißt sein Restaurant in der Regel aber nicht Pizzeria.
Pizza gehört eigentlich nicht zu einem normalen italienischen Menü, man bestellt auch eher keinen Teller Nudeln, verschlingt die schnell, zahlt getrennt und geht dann wieder. Das klingt jetzt zwar ein bisschen verklärend, ist aber in Ordnung, weil es sich um Urlaubserfahrung handelt: das Abendessen ist ein gemeinschaftliches Ereignis, das Zeit und Muße erfordert, von flaschenweise Wein und Wasser begleitet ist und an einem großen Tisch stattfinden sollte, der, das wissen Siena-Besucher zur Palio-Zeit, auch gerne in einer Fußgängerzone stehen kann. Oder in einem Olivenhain. Oder auf dem Schottervorplatz eines toskanischen Anwesens. Oder am leise Wellen schlagenden Ufer eines Sees, in dem man noch den Tag verbrachte. Oder …
Im Kern besteht ein Menü aus zwei Gängen, gehen wir es praktisch an. Primi Piatti ist der Gang mit der Sportlernahrung, ortsüblicher Pasta, vielleicht auch Risotto, einer (kalten) Suppe, in einigen Gegenden auch Gnocchi, köstlichen Kartoffelklößchen. Secondi Piatti ist entsprechend Gang II, bei dem Fleisch, Fisch, Gegrilltes, Meeresfrüchte, Frittiertes, aber auch Fleischloses, beispielsweise Pilze und Eiergerichte gegessen werden. Der große Unterschied zur deutschen Küche ist neben den Details, dem Essen also, dass wir köstliche Knödel, Sauce und Braten zusammen genießen, in Italien daraus aber eher zwei Gänge werden.
Das hat Folgen für die Zubereitung. Für einen klassischen Schweinsbraten braucht es Beilagen, das steht außer Frage. Das ist eine Komposition, die zusammengehört und harmoniert. Trennt man beides, muss das zweite eine krönende Note bekommen. Die Trennung hat außerdem den Vorteil, dass Primi Piatti und Secondi Piatti nicht auf einem Teller harmonieren müssen, was zur Folge hat, dass es Standardkombinationen wie Kartoffelpü, Kasseler und Sauerkraut nicht zwingend sind. Die einen halten das für einen Nachteil, die anderen eher nicht.
Das Tollste aber ist an der italienischen Küche, dass die zwei feststehenden Gänge geradezu dazu einladen, weitere einzuschieben. Ganz typisch ist, dass man in Italien einige salzige Leckereien vorweg nascht, Antipasti, die Pasta kommt schließlich später. Caprese ist einer der großen Klassiker, die es unter dem Namen Tomaten-Mozzarella-Salat über die Alpen geschafft hat, Parmaschinken mit Melone kennt man hier auch, beim Betriebsweihnachtsessen ist meist Carpaccio, hauchdünn geschnittenes, beträufeltes rohes Fleisch, die teuerste Vorspeise auf der Karte, Vitello Tonnato ist ein weiterer Riesenhit, Bruschetta natürlich … damit allein kann man Abende füllen.
Dazu gibt es reichlich Brot und am Ende Dolci, das Dessert. Tiramisu, Früchte mit Panna Cotta, Sorbets, Zabaione, Backwaren, Obst, phantastische Käse: es gibt Italienführer, in denen behauptet wird, dass es beim italienischen Essen nicht ums Sattwerden ginge. Das ist schamlos gelogen. Wer das große Glück hatte, einmal bei einer befreundeten italienischen Familie in Sommerstimmung speisen zu dürfen, wird an dieser Stelle nicken.
Im Restaurant geht es technisch in Italien im Grunde zu wie in Deutschland. Bestellung, Essen, Bezahlung folgen in genau dieser Reihenfolge aufeinander, gelegentlich gibt es Knabbereien am Tisch, die sind nicht kostenlos, oft wird der Service pro Tisch, Coperto genannt, auf die Speisenkosten gerechnet und kann als Zwangstrinkgeld verstanden werden. Am Ende kann man sich oft nicht entscheiden, ob man lieber einen Espresso oder ein Schnäpschen (einen Grappa oder Amaro) hätte. In Italien kennt man die Lösung: Caffè Corretto, der korrigierte Kaffee, ist eine Kombination aus beidem.