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Vespa – Lebensgefühl auf zwei Rädern

Bei uns hat sich der unpassende Begriff Roller eingebürgert, weltweit nennt man sie Wespe. Es gibt sie mit hoch- und tiefliegenden Scheinwerfern, frei schwingenden Doppelsitzen, in modernisiertem Design, im Retro-Look und im Retro-Look des modernisierten Designs. Überall haben sich Clubs von Liebhabern zusammengefunden, die ihre Wochenenden damit verbringen, ihre Motorroller auszuführen und für nicht wenige bilden sie den Sound Italiens.

Piaggios Vespa ist in den vielen Jahrzehnten ihrer Existenz zum Symbol für das italienische Lebensgefühl geworden, ein robustes technisches Meisterwerk, das im Schwarm durch die schmalste Gasse fliegt, über die Pflaster knattert und auf dem verführerisch schöne Menschen nach dem nächsten Abenteuer Ausschau halten.

Die Vespa ist ein Mythos, ein Symbol der Freiheit – und extrem praktisch. Mit ihr lassen sich schnell größere innerstädtische Strecken überwinden, sie transportiert ganze Wohnungseinrichtungen und findet wirklich überall einen Parkplatz. Zur Not stellt man sie sich halt neben das Bett.

Rinaldo Piaggio, der Gründungsvater des Unternehmens, war gerade einmal 20 Jahre alt, als er Ende des 19. Jahrhunderts in Genua seine eigene Firma gründete. Das Unternehmen wuchs schnell, wurde zum Flugzeughersteller und am Ende des Zweiten Weltkriegs stand es vor dem Nichts. Enrico Piaggio, der Sohn des Firmengründers, entwickelte dann im toskanischen Pontedera sein erstes zweirädriges motorisiertes Fahrzeug gemeinsam mit einem erfahrenen Luftfahrtingenieur, Grundlage war ein Motorrad, das ursprünglich für Fallschirmjäger konzipiert war.

Vespa

Vespa ©iStockphoto/Hedda Gjerpen

Die Idee war eine, die nahezu zeitgleich in mehreren Ländern in zerstörten Industrieanlagen entstand: es ging darum, mit möglichst einfachen Mitteln Massen zu mobilisieren, im Aufbruch befindliche Gesellschaften zu unterstützen, eine perfekte Zeit für die Entstehung von Legenden. Zunächst nannte man das Ergebnis Paperino, so heißt Donald Duck in Italien und wer sich die frühen Serien-Vespas anschaut, der wird bestätigen, dass die Frontpartie etwas Schnabelartiges hat.

Die Vespa ist kein kleines Motorrad, kein Mofa, das etwas Größeres zu imitieren scheint. Die Vespa hat ein selbsttragendes Chassis, statt einer Vorderradgabel hat sie eine dem Fahrwerk eines Flugzeugs entliehene Einarmschwinge, einen sensationell bequemen Sitz, einen leichten Einstieg, der im übrigen auch erlaubt, die Vespa mit langem Rock zu fahren, der hässliche Motor ist elegant verkleidet und von vorne zufliegender Dreck wird durch eine breite Schürze der Frontpartie abgefangen. Die Vespa ist eine Schönheit.

Noch bevor die Vespa in Serie ging, taufte Enrico Piaggio sein Meisterwerk um. Sie ist klein, schnell, enorm wendig und fällt auf, wenn sie um den Frühstückstisch kreist – der Name ist bis heute Programm. 1946 wurde die Patentfragen geklärt und die Vespa der Öffentlichkeit präsentiert. Piaggio kam mit der Produktion kaum nach. In kurzen Abständen vervielfältigten sich die Stückzahlen. Piaggio expandierte nach Europa, der findige Manager war es höchst selbst, der erste Vespa-Clubs gründete – und Servicestationen auf mehreren Kontinenten auch.

Zur Markenstrategie rund um die Vespa gehörten früh die Vermittlung des Lebensgefühls, der Gemeinschaft und Freiheit. Die Motorroller wurden in unglaublich vielen Ländern in Lizenz gebaut und, der Ritterschlag, von den Sowjets kopiert. Piaggio legte an allen Fronten nach. Das Dreirad Ape (Biene, die Markenstrategie ist aus einem Guss) entstand noch in den 40ern. Die Grundlage des Transporters, der neben der Vespa und einigen traumhaft schönen Fiat-Modellen viele Jahrzehnte lang italienische Straßenbilder bestimmte und in dessen winzige Kabine erstaunlich große Männer passen, ist im Grunde jedem Geschäftszweck dienlich, zum Beispiel eroberte es als Autorikscha weite Teile des fernen Ostens.

Apropos Vielfalt: auch die europäischen Militärs entdeckten die Produktpalette Piaggios, Vespas wurden ihrem Herkunftszweck zugeführt und aus Flugzeugen abgeworfen oder wie Zwergpanzer mit Waffen bestückt. Natürlich wurden schon früh Rennen mit Vespas ausgerichtet und es gibt einige Globetrotter, die absurde Entfernungen auf ihren Vespas zurückgelegt haben. Im August 1955 wurde der Millionste VW Käfer gebaut, wenige Monate später rollte auch die millionste Vespa vom Band. Im Gegensatz zum Käfer wird die Vespa aber gebaut und gebaut und gebaut und …

In der Automobilbranche gibt es den Trend, immer größere, kräftigere Motoren zu bauen, Piaggio lief 1963 in entgegen gesetzte Richtung. Weil in Italien Fahrzeuge bis 50 cm3 Hubraum von 14-jährigen ohne Führerschein bewegt werden dürfen, entwickelte man die Reihe Vespa 50 – ein irrsinniger Verkaufsschlager, wie man sich denken kann. Die leistungsstärksten Wespen sind die der Reihe P, besonders populär ist bis heute die Vespa PX.

Das Flair, das vom knatternden Gefährt ausgeht, ist unerreicht. Zahllose Filmstars haben einander mit Vespas erobert und bis heute schmeckt allen, die sich ein bisschen Italien nachhause holen wollen, auf ihr das Eis am besten.

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