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Neapel – unterm Vesuv

Es ist nicht lange her, da wurde Italienbesuchern dringend davor abgeraten, Neapel aufzusuchen. Zu gefährlich, mit einer hohen Diebstahlrate, insgesamt als dunkle, unruhige Stadt galt Neapel, ein Moloch, der seine schönen Seiten hinter einer grimmigen Fassade versteckte. Das ist glücklicherweise vorbei und wohl auch nie ganz so dramatisch gewesen, wie es viele Reiseberichte mutmaßen ließen.

Was viele nicht wissen: Neapel zählt zu den ältesten touristischen Reisezielen der Neuzeit. Hier treffen sich die Schönheit des Lebens und die unbedeutende eigene Existenz unterhalb des gewaltigen, drohenden Vesuv. Im Golf von Neapel liegt mit der Insel Capri ein alter Urlaubstraum, hier trafen sich bereits im 19. Jahrhundert deutsche Industrielle und Künstler. Die Thermalquellen von Ischia sollen bereits die alten Griechen aufgesucht haben und Procida wird alle paar Jahrzehnte als Sehnsuchtsort wiederentdeckt.

Südlich von Neapel, an der Amalfiküste, streiten sich Engländer und Deutsche seit gut zwei Jahrhunderten um die besten Liegeplätze, im Süden, auf halber Höhe nach Rom, haben wohlhabende Italiener, die hier wie dort geschäftlich tätig sind, prachtvolle Residenzen und dann gibt es noch um Neapel herum einige der berühmtesten archäologischen Ausgrabungsstätten der Erde. Aber Neapel selbst? Es ist, als würde man nur den äußeren Rand der Muschel betrachten.

Die UNESCO hat Mitte der 90er Jahre die Altstadt Neapels zum Weltkulturerbe erklärt – und damit zwei Jahre früher als Pompeji, Herculaneum und die Villa Oplontis. Neapel ist umgeben von historischen Castellen, durchzogen von Seilbahnen, es gibt berühmte Kirchen, Katakomben, Höhlen, alte Einkaufszentren, Paläste, das große archäologische Nationalmuseum und es gibt das Quartiere Spagnolo, das spanische Viertel mit seinen kleinen Gassen, den vielen Treppen und seinem recht schlechten Image. Das Viertel ist arm, das merkt man sofort. Obwohl es mitten in der Stadt liegt, scheint es irgendwie nicht von der Prosperität seiner Umgebung mitgenommen worden zu sein. Nachts kann es durchaus sehr gefährlich sein, sich hier allein zu bewegen und es gehört irgendwie zu Neapel, dass dieser kleine Teil das Bild des Restes prägt.

Neapel

Neapel ©iStockphoto/Danilo Ascione

Dazu passt auch die unglaubliche Verehrung für den Fußballer Maradona, der in den 80ern für einen damals absurden Betrag vom kleinen SSC Neapel dem großen FC Barcelona abgekauft wurde. Der Argentinier holte mit dem Verein einige Titel, beide gingen in den 90ern sportlich unter, in der Stadt finden sich bis heute Zeugnisse der offen religiösen Maradona-Verehrung.

Shopping ist in Neapel die Hauptbeschäftigung vieler Besucher, die Stadt ist voller Schuhgeschäfte, Märkte, Boutiquen, Künstler, Handwerker und Händler von Antiquitäten. Neapel ist eine Stadt mit großer Kunstgeschichte. Sie war eine der frühen Hochburgen der Commedia dell’arte, der listige Bauer Pulcinella mit seiner schwarzen Maske begegnet einem an vielen Stellen der Stadt. Den großen Italienreisenden des 18. und 19. Jahrhunderts war dieser Pulcinella, der nördlich der Alpen später zum Kasper wurde, fast wichtiger als die ganzen Weihestätten der Renaissance.

Kulturgeschichte hin oder her, die berühmtesten Geschenke an die Menschheit hat die neapolitanische Küche gemacht. Hier, im Hafen, hat man herausgefunden, wie man eine vernünftige Tomatensauce macht. Die Gelehrten streiten sich darum, wo die Pizza letztendlich herkommt. Pizzaähnliches gibt es wahrscheinlich, seitdem der Mensch backt und Käse herstellt, unsere heutige Idee einer Pizza soll sich aber auf die Umsetzung eines gewissen Raffaele Esposito zurückführen lassen, der, das weiß man genau, am 11. Juni 1889 für König Umberto und dessen Frau Margherita eine Pizza servieren sollte und diese mit den italienischen Nationalfarben belegte: Tomaten, Mozzarella und Basilikum. Und es soll Neapolitaner geben, die erfolgreich ausgewandert sind, der Armut entflohen und sich trotzdem ihr Leben nach einer Pizza in den Straßen von Neapel zurückgesehnt haben.

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