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Urlaubslektüre: Italienische Literaten

Italien ist reich, reich an berühmten Schriftstellern, Denkern, Dichtern und Literaturnobelpreisträgern, Menschen, die sich selbst Denkmäler bauten, indem sie Federn in Tinte tunkten, diktierten, auf Schreibmaschinen einhämmerten oder natürlich Computer nutzten. Wer seinen Italienurlaub nicht nur durch den Verzehr guten Essens, hervorragender Weine, dem Geruch des Meeres, sondern auch mit der passenden Lektüre würzen möchte, der ist hier richtig.

Dante Alighieri ist einer der berühmtesten Namen der italienischen Literatur – was keineswegs seinen Nachfolgern geschuldet ist, sondern vielmehr der Größe seines Werkes. Es ist seine göttliche Komödie, die Maßstäbe gesetzt hat, der Dichter ließ sich in der Komödie von seinem römischen Vorgänger Vergil durch Hölle und Fegefeuer, von seiner alten Freundin Beatrice durchs Paradies führen und schuf dabei Bilder für das Unbeschreibliche, ein mächtiges Werk, das unzählige Künstler inspiriert hat und das sich, das ist das Entscheidende, in einigen Übersetzungen hervorragend lesen lässt. Auch im Urlaub. Die Übersetzung von Hartmut Köhler ist hervorzuheben, auch weil sie mit vielen hilfreichen Hinweisen versehen ist.

Dante selbst ist zur Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert in der Toskana als Politiker aktiv gewesen und hatte Pech, als die politische Gegenseite mit päpstlichem Segen in Florenz einmarschierten und ihn zum Tode verurteilte. Dante zog das Exil vor und begann, dort an seiner Komödie (erst später wurde sie zur göttlichen Komödie), zu schreiben. Er zog durch Norditalien, richtig viel weiß man heute nicht über die Jahre des Schreibens, lebte unter anderem in Verona und ab 1316 in Ravenna, wo er 1321 starb, kurz nachdem er sein großes Werk vollendet hatte.

Italienische Literaten

Italienische Literaten ©iStockphoto/Nikada

Der Florentiner Giovanni Boccaccio lebte von 1313 bis 1375. Er soll der Mann gewesen sein, der Dantes Komödie das Adjektiv göttlich vorangestellt hat. Sein Hauptwerk ist das Dekameron, eine Sammlung von Geschichten, die Boccaccio von einigen jungen Leuten erzählen ließ, die vor der Pest auf ein toskanisches Landgut flüchten. Diese Leute erzählen sich nach einem festen Regelwerk vom Leben und vor allen Dingen der Liebe. Bei der Einordnung des Werkes sind Literaturwissenschaftler einer Meinung: es handelt sich um ein Jahrtausendwerk, eines von der Sorte, die über Jahrhunderte die Literatur prägt, für uns ist entscheidend, dass diese viele Jahrhunderte alten Geschichten noch heute ein Vergnügen sind.

Wenn unsere Politiker unangenehme Wahrheiten verkünden müssen, argumentieren einige von ihnen gerne mit Niccolò Machiavelli. Da weder sie noch die Journalisten in der Regel wirklich im Werk des florentinischen Philosophen gelesen haben, folgen nur selten Einwände. Eine seiner berühmtesten Arbeiten ist Der Fürst, Il Principe, der Versuch, den florentiner Herrschern einen Leitfaden für ihr politisches Handeln an die Hand zu geben, natürlich unter den Bedingungen des 15. und 16. Jahrhunderts.

Macchiavelli, der selbst in den politisch schwierigen Verhältnissen seiner Zeit gefangengenommen, gefoltert, ins Exil geschickt und halbwegs rehabilitiert wurde, versuchte, sich mit dem Werk bei den Machthabern in Florenz zu profilieren. Was ihm nicht gelang. Der Fürst wurde erst mehrere Jahre nach seinem Tod veröffentlicht.

Ein weiterer Klassiker des 16. Jahrhunderts: Torquato Tassos Epos Das befreite Jerusalem. Die Inquisitoren waren seinerzeit von dem Wälzer begeistert, ein vorsichtiger Hinweis darauf, dass es sich bei Das befreite Jerusalem in heutiger Lesart um eine derart politisch inkorrekte Arbeit handelt, dass man in Hollywood eine filmische Umsetzung noch nicht einmal erwägen würde. Tasso ließ in einer von Engeln geleiteten fiktiven Schlacht christliche Helden und Ungläubige aufeinanderkrachen und veranstaltete ein gewaltiges Gemetzel, das bis zur Erschöpfung exerzierte, wo es hinzugehen hat, was Recht ist und was das Recht für seine Ordnung darf.

Torquato Tasso ist mit seiner Arbeit nicht glücklich geworden. Er war etwas mehr als 30 Jahre alt, als er sein großes, detailverliebtes und mit großer Sachkenntnis geschriebenes Werk vollendete – nach 15 Jahren der Arbeit. Sein restliches Leben zeigte Torquato Tasso deutlichen Anzeichen einer schweren psychischen Erkrankung. Seinerzeit, im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts, hielt man ihn für geisteskrank, heute geht man davon aus, dass Torquato Tasso schizophren war. Die genannten Werke sind spannend, brauchen aber einiges an Leseerfahrung. Wechseln wir ins 20. Jahrhundert.

Ein richtig schöner Roman für den Sardinien-Urlaub ist Grazia Deleddas Schilf im Wind. Die Naturalistin Deledda veröffentlichte diese Arbeit kurz vor dem ersten Weltkrieg, sie erzählt von dem Knecht Efix, der für drei Schwestern auf einem heruntergekommenen Gehöft auf Sardinien arbeitet, von Feen und Kobolden. Der Text entfaltet seine besondere Schönheit, wenn man in der Landschaft liegt, von der er in einem Ton erzählt, der der vergangenen Welt, der er entstammt, angemessen scheint. Grazia Deledda erhielt 1926 den Nobelpreis für Literatur.

Während Deledda mit ihren Worten die Landschaft malte, skizzierte Federigo Tozzi gesellschaftliche Eigenheiten seiner Zeit. In Mit geschlossenen Augen, seinem Werk von 1919, ließ er Pietro Rosi, den Sohn eines Gastwirtes aus Siena, die Bedingungen durchleiden, die sein Lebensumfeld für ihn bereithielt. Es war der erste Roman des Journalisten und Erzählers aus Siena, den er selbst in einer schwierigen Zeit verfasste und dessen nachhaltigen Erfolg er nicht einmal in Ansätzen erleben durfte. Tozzi starb 1937 in Rom an einer Lungenentzündung.

Dino Segre nannte sich Pitigrilli und schuf mit Kokain einen Roman, der noch in den späten 80er Jahren des 20. Jahrhunderts auf dem deutschen Index für jugendgefährdende Schriften stand. Was er dort zu suchen hatte, ist aus heutiger Sicht absolut nicht verständlich. Der Mann legte schonungslos offen, was einem auffallen musste, dem das Anpassungsgen fehlte, er ließ seinen jungen Tito Arnaudi einfach von der Leine und macht dem Leser schon deshalb großen Spaß. Der Plot des Romans ist zeitlos schlüssig, Pitigrilli ließ einen jungen Mann den allgemeinen Erwartungen an seinen Weg nach Paris entfliehen, in die Stadt der Liebe. Das konnte natürlich nicht gut gehen.

Dino Segre musste zur Zeit des Faschismus ins Exil, zog über die Schweiz nach Argentinien und fand nach seiner Rückkehr in den 50ern sein eigenes Frühwerk selbst nicht mehr so prima. Mag sein, dass er den Zynismus seiner 20er nicht mehr ertrug, trotzdem bleibt Kokain ein erstaunliches Werk, für folgende Schriftsteller ein Steinbruch guter Ideen und sein Alter merkt man dem Roman nur an, weil es von Vokabeln wimmelt, die längst nicht mehr jedem geläufig sind.

Der Nobelpreisträger Luigi Pirandello, Dramatiker aus Sizilien, ist ein weiterer Name von kaum abzumessender Größe. Wer meint, mit Theater nichts am Hut zu haben, sollte es vielleicht mal mit Sechs Personen suchen einen Autor versuchen, Pirandellos Skandalwerk, das 1921 bei seiner Uraufführung sesselfurzende Schauspielbesucher in einen Lynchmob verwandelte, der sich über Pirandellos Tochter Lietta herzumachen versuchte. Das Stück zeigt, was der Titel verspricht, eine Familie, die von ihrem Erschaffer im Stich gelassen einen Raum zur Aufführung ihrer selbst sucht, das Theaterstück bezieht das ganze Konstrukt Theater in die Aufführung mit ein und Pirandello drehte damit die Schraube weiter, als es die Sonntagsfahrer seiner Zeit ertrugen.

Als großartige Urlaubslektüre sind Luigi Pirandellos Novellen für ein Jahr fast zu lang – aber genauso wunderbar. Der Autor schrieb an den Geschichten über das Leben auf Sizilien 14 Jahre lang, bis zu seinem Tod. Auf 246 Erzählungen ist Pirandello am Ende gekommen, 246 von 356 geplanten, eine ordentliche Leistung. Ausgewählte Novellen sind im deutschsprachigen Raum als Meistererzählungen zusammengefasst und veröffentlicht worden. Ein hervorragender Einstieg.

Italo Calvino war gebürtiger Kubaner, wuchs in San Remo auf und kämpfte im Zweiten Weltkrieg auf Seiten der Partisanen gegen den Faschismus. Dass er heute jedem italienischen Schulkind bekannt ist, liegt daran, dass er sich als Sammler mündlicher Überlieferungen betätigte, Volksmärchen niederschrieb, die neben einem großen erzählerischen Werk, Briefen, einer Autobiografie und auch Opernlibretti auf ihre Entdeckung warten. Der große, Calvino innewohnende Erzählspaß wird vielleicht am besten in dem immer wieder beginnenden und die Genres wechselnden Roman Wenn ein Reisender in einer Winternacht am besten deutlich, der die Leser spaltet: in jene, die überfordert sind und die, die anschließend alles von Calvino verschlingen, was sie in die Finger bekommen. Und das ist am Ende doch zu wenig.

Die Familie Tomasi di Lampedusa ist ein uraltes sizilianisches Adelsgeschlecht mit einer in das erste Jahrtausend nach Christi zurückreichenden Geschichte, einem eigenen Heiligen – und in dem Fürst, Herzog und Baron Giuseppe V mindestens einen eigenen weltberühmten Literaten. Giuseppe schrieb seinen einzigen Roman Il Gattopardo kurz vor seinem frühen Tod 1957 und schilderte darin den Abstieg des Adelsgeschlechts Salina, nahm sich aber die eigene Familiengeschichte im 19. Jahrhundert zum Vorbild. Das Risorgimento, also das Wiederaufblühen, nennt man in Italien die Phase der Vereinigung des Staates, die natürlich mit einem Machtverlust der alten Herrscherschichten einherging. Lampedusa ließ sich für den Roman von der Geschichte seines Urgroßvaters inspirieren. Dass Il Gattopardo (nicht ganz korrekt als Der Leopard übersetzt) bis heute weltberühmt ist, liegt natürlich an der Verfilmung durch Luchino Visconti, ebenfalls Spross eines alten Adelsgeschlechtes.

Primo Levi war als Kämpfer der Resistenza gegen den Faschismus aktiv, wurde mit vielen anderen italienischen Juden nach Auschwitz deportiert und überlebte dort die letzten elf Monate des Konzentrationslagers, in denen er als Chemiker in den Buna-Werken eingesetzt wurde. Berühmt wurde Primo Levi mit den biografischen Werken Ist das ein Mensch?, Die Atempause und Das periodische System. Es ist keine Urlaubslektüre, die Arbeiten des Autors sind aber mindestens so relevant wie die der anderen genannten.

Während Ist das ein Mensch? relativ kurz nach dem Krieg entstand und die unfassbare System innerhalb des Konzentrationslagers schildert, ist Die Atempause, die Schilderung der Befreiung durch die Rote Armee und des langen Weges zurück, erst Anfang der 60er Jahre veröffentlicht worden. Der Regisseur Francesco Rosi verfilmte den Stoff in den 90ern mit John Turturro als Primo Levi.

Eugenio Montale ist ein weiterer italienischer Nobelpreisträger, ein Lyriker, und damit nicht gerade Vertreter einer Gattung, die sich viele mit in den Urlaub nehmen würden. Es gibt allerdings sehr schöne zweisprachige Gedichtsammlungen von Eugenio Montale, die auch jenen Freude machen können, die des Italienischen nicht mächtig sind – wenn sie auf der einen Seite den Sinn greifen können und auf der anderen lautmalerisch der italienischen Melodie folgen.

… und gleich noch ein Literaturnobelpreisträger: Dario Fo. Fo ist ein Mann der Commedia dell’arte, des Theaters, ein sozialkritischer Denker, von dem einige Arbeiten in Chotjewitzer Übersetzung im Rotbuch-Verlag erschienen sind und der mit Die Welt, wie ich sie sehe einen tolle Einstiegshilfe in Autobiografieform geschaffen hat.

Krimis sind den einen im Urlaub die beste Entspannung, anderen immer ein Graus. In den 70er Jahren schuf der aus Bologna stammende Loriano Macchiavelli seinen Kommissar Antonio Sarti, mit dem er mehrere Jahrzehnte gearbeitet hat. Italien ist voll von sehr passablen Krimiautoren, Massimo Carlotto gehört ebenfalls dazu. Der Autor aus Padua war selbst in einen nie gänzlich geklärten Mordfall verwickelt (oder eben nicht) und kann aus eigener Anschauung Flucht über mehrere Staaten und Gefängnisaufenthalte schildern.

Ein weiterer absoluter Experte auf seinem Gebiet ist Gianrico Carofiglio, ein gegen die Mafia kämpfender Anwalt, der auch als Romanautor tätig ist – und ein Alleskönner ist Giorgio Faletti, ein Musiker, der mit Ich töte einen der erfolgreichsten Romane aller Zeiten in Italien veröffentlicht hat. Noch ein Tipp: Valerio Varesis Der Nebelfluss. Donna Leon, soviel Korrektheit muss sein, ist keine Italienerin, lebt aber wirklich in Venedig und wird dort wiederum nicht gelesen. Den italienischen Lesern und Verlegern sind die von ihr eingesetzten Stereotype zu banal.

Ein weiterer Riese in und aus Italien: Umberto Eco. Der Mann ist Wissenschaftler, ein Denker und hat in seinem Leben mehr als 30 Ehrendoktorwürden gesammelt. Baudolino und Das Foucaultsche Pendel sind phantastische Romane, die Umberto Eco zwischen weniger leicht zugänglichen philosophischen Werken platzierte, keines aber ist so berühmt wie Der Name der Rose von 1980, wenige Jahre später von Jean-Jacques Annaud mit Sean Connery und Christian Slater verfilmt.

Da Umberto Eco auch ein ausgewiesener Literaturkritiker ist, lassen sich zu nahezu jedem der hier aufgeführten Literaten Einordnungen aus seiner Feder finden.

Anderer Name, kaum weniger berühmt: Alessandro Baricco. Der Turiner Journalist und Schriftsteller arbeitet interdisziplinär, verknüpft Musik und Literatur immer wieder und manchmal auch neu, ist als Schreiblehrer tätig und seit den frühen 90ern in Italien ein vielfach ausgezeichneter Romancier. Weltbekannt wurde Alessandro Baricco durch seinen Roman Seide, der 1996 veröffentlicht wurde. Es gibt einige aufwändige Verfilmungen seiner Werke, die schönste ist vielleicht jene des Monologs Novecento, bekannt als Die Legende vom Ozeanpianisten mit dem unschlagbaren Tim Roth.

Roberto Saviano aus Neapel hat sich viel vorgenommen. Er hat sich in seinem Roman Gomorra mit der Mafia in Neapel, der Camorra, angelegt. Das Buch wurde in mehrere dutzend Sprachen übersetzt, verfilmt und zum Welterfolg, für den Autor bedeutete es ein Leben in Polizeischutz, für den ein Bündnis aus Literatur-Nobelpreisträgern erst sorgen musste.

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